Gegen Ende des Lebens

Auf der Rückfahrt saßen wir zufrieden in den Reisebus-Sitzen und unterhielten uns rege - Dagmar und ich. Zuvor hatten wir uns einige Sehenswürdigkeiten einer Stadt angesehen. Nachdem wir uns gestärkt hatten, ging es zum „Schlendern“ in die City. Uns reizten die nobelsten Schuhläden und während wir von einem in den anderen stolzierten, stellten wir uns vor, wie toll es wäre diese schicken Modelle mit den super hohen Absätzen zu tragen.
„Aber das können wir beide nicht mehr – diese hochhackigen Pumps sind ja auch zu unbequem!“ trösteten wie uns.
„Schade, dass du eine andere Schuhgröße hast als ich“, bemerkte sie „denn sonst könntest du meine selten getragenen teuren Schuhe noch tragen“.

Dagmar konnte nicht nur wegen der Knochenmetastasen inzwischen immer schlechter laufen – und keine Chemotherapie konnte Besserung bringen – das war uns klar.

„Das war trotzdem ein schöner Tagesausflug“, waren wir uns einig.

Wir telefonierten nun länger  miteinander und sahen uns öfter als sonst und half ihr wo ich konnte.

Ende Januar waren wir bei Dagmar und ihrem Mann zum Essen eingeladen. Beim Verabschieden übergab sie mir ein selbst gemaltes Bild mit den Worten: „Das hier möchte ich dir schon mal zu deinem Geburtstag schenken, denn ich weiß nicht, ob ich zu Ostern noch da bin.“

„Das war bestimmt ein  Abschiedsessen“, meinte mein Mann auf dem Heimweg.

Später mal waren die Beiden  bei uns zu Gast. Ich hatte schon berücksichtigt, dass Dagmar nicht mehr alles essen konnte. Es schmeckte ihr zwar gut, sie konnte aber kaum die Portion Suppe bewältigen. Die Leistung der Leber ließ nach - Dagmar war zunehmend müde und erschöpft. Nun aß Sie immer weniger und magerte ab, selbst die „Astronautenkost“ aus der Apotheke konnte nun nicht mehr verdaut werden.

Ich saß an ihrem Bett und hielt ihre Hand. Ihre Augen fielen immer wieder zu. Langsam erzählte sie dann aus ihrem Leben und was sie alles noch vorhatte.

„Ich will wieder auf die Beine kommen“! sagte sie „Vielleicht fahren wir dann nach Berlin, dann zeige ich dir die Hauptstadt und wo ich früher gelebt habe. Da kenne ich mich schließlich aus. Vorher könnten wir noch zum Flohmarkt - dann würde ich meine Designer-Klamotten verkaufen. Wir hätten dann sogar noch Geld für die Oper.“

Ich pflichtete ihr bei, befürchtete aber, dass sie das nicht mehr schaffen würde.

 

copyright © 2013 by Eva-Maria Schmeier